Dies sind musikalisch gute Zeiten! Hätte 1995 jemand gesagt, dass sich allein in Franken gleich zwei Festivalreihen, mehrtägig, jährlich und mit international hochkarätiger Besetzung etablieren würden – man hätte sowas von milde gelächelt! Neben Würzburgs Artrock Festival-Reihe gilt auch das nun schon zum fünften Mal veranstaltete “Generation Prog” in Nürnberg mittlerweile als Szenetreff. Gut, der Freak-Faktor ist beim Generation Prog weniger hoch als in Würzburg, Freak-City. Details. Den Festivalbesucher erwartete an diesem Novemberwochenende ein wohlorganisiertes Festival, auf Wunsch mit Organisation einer noblen Hotelbleibe nebst Shuttleservice zum und vom Veranstaltungsort, dem Kulturzentrum Luise.
Der ursprüngliche Gedanke des Festivals – Bands aus verschiedenen Generationen einen Abend zusammen bestreiten zu lassen, und am Ende des Abends hat dann jeder auf und vor der Bühne idealerweise etwas Neues kennen gelernt – trat in der 2015er-Ausgabe etwas in den Hintergrund. Alle acht Bands des Fests haben sich erst in den letzten zehn Jahren formiert. Im Folgenden die Details.
Schon bei der Ankunft am Hotel laufen uns freudig grüßende Mit-Progger entgegen, Richtung Shuttle-Bus. “Der Bus fährt um 17:30”. Ein Blick auf die Uhr zeigt: 17:26. Das heißt: Turbo-Gang einlegen (passend zur Musik des Abends), einchecken, umziehen, fatalerweise nicht zum Panzerballett-T-Shirt im Koffer greifen, durch strömenden Regen zum Bus hechten, in den Sitz fallen lassen, sich freuen, sich von einer internationalen Besuchertruppe fotografieren lassen, auf vier krasse Bands am ersten Abend gespannt sein.
Counter-World Experience aus Hannover/Berlin eröffnen den Abend pünktlich mit instrumentalem Jazz Metal zwischen brachial und filigran-komplex. Der Saal ist schon zu dieser frühen Abendstunde gut gefüllt, die Fangemeinde glücklich, sich bereits mit der ersten Band des Festivals in eine Art Turbotrance grooven zu können. Allzu ernst nimmt man sich bei all der Virtuosität wohltuend wenig, Gitarrist Benjamin Schwenen verkündet in der Ansage zu ‘Amygdala’, er benötige hinterher ein Sauerstoffzelt, schließlich handele es sich um das härteste Stück des Abends. Darüber ließe sich streiten, denn auch die übernächste Band, Panzerballett, flirtet derzeit überaus heftig mit dem Djent.
Die zweite Band des Abends sind MacLean/Schetter/Tinge. Das eilig zusammengeholte Trio um Festivalorganisator Michael Schetter (Relocator) interpretiert virtuos und hart Stücke von Virgil Donati bis Toto. Gast-Keyboarder Sebastian Halbig ist wagemutig genug, sich mit nur wenigen Tagen Vorlaufzeit auf das Konzert einzulassen – der begeisterte Applaus sollte diesen Mut belohnen. Und was ist das für ein Perkussionsinstrument? Eine indische Trommel namens Mridangam, gespielt von Bhaskar, gibt den Stücken zusätzlichen Groove.
Panzerballett aus München machen es sich im Anschluss zum wiederholten Male zur Aufgabe, krasse Alternativen zu teils wohlbekannten Stücken zu bieten. Headbangen ist da ausdrücklich erwünscht. Es seien ja “meistens ganz normale 4/4-Takte”, wie sie versichern. Gut, mit ein paar Quintolen drin. Details. Panzerballett bringen mit “Typewriter II” dem Kennerpublikum, das sowieso mehrheitlich aus Musikern zu bestehen scheint, eine saftige Hausaufgabe mit: Die Noten zum Stück liegen als Beilage dem neuen Album bei, der Wettbewerb läuft.
Richtig voll wird der Veranstaltungsort beim Haupt-Act des Festivals, den Aristocrats. Kein Wunder, schließlich verrenkt Guthrie Govan seine Finger beim Gitarrenspiel wie kein anderer, spielt Bryan Beller am Bass die Band-Rampensau perfekt und Marco Minnemann – na, da braucht es keine Worte mehr. Nein, es braucht auch nicht das sonst übliche Namedropping an dieser Stelle. Bei welchen Szenegrößen die drei Virtuosen sonst noch in Lohn und Brot stehen? Details. Nein, die Aristocrats und ihr versammelter Tierpark auf der Bühne stehen auch so für sich und bringen ihre Mischung aus Jazz, Blues, Rock und Gefrickel mühelos und spielerisch. Ein musikalisch perfekter erster Festivalabend geht zu Ende, letzte Fachsimpeleien, Shuttle-Bus, Bearbeitung der ersten Bilder, Schicht im Schacht in den frühen Morgenstunden.
Am zweiten Tag stehen ab dem frühen Abend vier weitere Bands auf der Bühne. Das ist fein, können doch so die Tageslichtstunden entweder zum Regenerieren oder zum Sightseeing genutzt werden.
DispersE, blutjunge Polen, machen den Anfang mit Emo-angehauchtem Prog-Metal, und es wird klar: An diesem Tag geht es mehr um Gesamtatmosphäre, der Frickelfaktor des Vortags wird nicht mehr erreicht.
Circle of Illusion aus Österreich geben mit einer siebenköpfigen Truppe ihr ambitioniertes Gesamtkunstwerk “Jeremias” zum Besten; ihre souverän gespielte Mischung aus Ayreon- und Dream Theater-inspiriertem Prog, Musical und Funk ist unterhaltsam, auch wenn sie zu viele “Yeah, yeah, yeah”-Passagen enthält.
Subsignal überzeugen einmal mehr mit eingängigen, aber doch auch hintergründigen Arrangements (und dem ersten “nur” viersaitigen Bass des gesamten Festivals), leiden aber unter matschigem Sound.
Leprous aus Norwegen – der Prog-Metal-Hype der Saison – spielen ihre komplexen Arrangements präzise, mit Überzeugung und in barbarischer Lautstärke. Auf jeden Fall wird Leprous dem Publikum als die Band in Erinnerung bleiben, deren Schlagzeuger zwei Bass Drum-Felle zertrümmert und damit zwei Zwangspausen notwendig macht, bevor die glückliche Menge in den ersten Schneefall der Saison entlassen wird.
Man kann sich schon jetzt auf die sechste Ausgabe dieses Festivals freuen.
Surftipps Generation Prog ’15:
GenProg @ Bandcamp
The Aristocrats
Konzertbericht Aristocrats, 10.03.14
DispersE @ Facebook
Leprous Homepage
Konzertbericht Leprous @ Headway Festival 27.04.13
Panzerballett Homepage
Subsignal Homepage
Luise Homepage
Artrockpics.com
Ein Kommentar
Dario! ♥