Spock’s Beard – The Oblivion Particle
(66:03, CD, Insideout/Universal, 2015)
Kaum steht das neue Werk der Bärte in den Regalen, überschlagen sich allerorten die Lobeshymnen auf “The Oblivion Particle”, dem mittlererweile zwölften Studioalbum von Spock’s Beard. Insbesondere die Kollegen von der Dutch Progressive Rock Page (DPRP) liegen allesamt nahe an der Höchstnote. Liegt das möglicherweise am Sommerloch oder ist das Werk wirklich so herausragend? Um diese Frage befriedigend zu beantworten, braucht es zunächst einige Spins im Player. Relativ schnell wird klar: Wo Spock’s Beard drauf steht, ist auch Spock’s Beard drin. Keine Frage!
Ein Blick ins Booklet verrät aber, dass ein erheblicher Teil der Songs gar nicht von den Fulltime-Bärten komponiert wurde. Immerhin fünf der neuen Stücke (‘Bennett Built A Time Machine’, ‘Get Out While You Can’, ‘A Better Way To Fly’, ‘To Be Free Again’, ‘Disappear’) wurden von John Boegehold komponiert und ein weiteres (‘Tides Of Time’) von Stan Ausmus. Mit beiden Songwritern arbeitet die Band schon länger zusammen, allerdings traten die beiden bislang eher als Co-Autoren in Erscheinung. Boegehold ist zudem als Co-Produzent involviert. Da zwei weitere Songs (‘Minion’, ‘Hell’s Not Enough’) aus der Feder von Sänger Ted Leonard (ebenfalls Frontmann bei Enchant) stammen, bleibt mit ‘The Center Line’ lediglich ein Stück, das die Ur-Bärte Ryo Okumoto & Alan Morse geschrieben haben.
Möglicherweise war die Maßgabe an die Komponisten, der Band “waschechte” Spock’s Beard Stücke auf den Leib zu schneidern. Wenn ja, dann kann man sagen: “Operation geglückt!” Die Band dankt es, indem sie extrem virtuos, weiter stilistischer Bandbreite und mit großer Spielfreude agiert. Zudem hat man trotz einiger Déjà-Vus bzw. Déjà-Entendus nie den Eindruck, auf das bekannte “Morse of the same” Phänomen zu stoßen. Den Schatten von Ex-Boss Neal, dem das erwähnte Phänomen zugerechnet wird, haben die Jungs längst abgeschüttelt.
Ist der Opener ‘Tides Of Time’ noch ein quirliger, junger Anverwandter von ‘The Good Don’t Last’, so schüttelt man mit ‘Minion’ ein Stück aus dem Arm, das zwar hundertprozentig nach Spock’s Beard klingt, aber so noch nicht da war. Leonard macht in beiden Songs eine großartige Figur und manifestiert, dass er als Sänger seine Vorgänger locker in die Tasche steckt. Man hat zudem den Eindruck, dass er sich im Bärte Umfeld deutlich wohler fühlt als bei seiner Stamm-Formation Enchant. Dort klang und klingt er bisweilen etwas angestrengt.
Wir wollen zwar nicht hoffen, dass in Zukunft ein weiterer Sänger Wechsel bei Spock’s Beard bevorsteht, doch Drummer Jimmy Keegan empfiehlt sich in ‘Bennet Built A Timemachine’ schon mal als möglicher Ersatzspieler und sorgt für eine zusätzliche Klangfarbe auf diesem vielseitigen Werk. Für eine weitere angenehme Überraschung sorgt Ryo Okumoto, indem er sich auf eine geschmackvolle Soundauswahl beschränkt, welche die “Käsetheke” elegant umschifft. Sucht man nach einem Haar in der “Particle”-Suppe, so lässt es sich allenfalls in ‘A Better Way To fly’ ausmachen, das bei aller spielerischen Finesse ein wenig konstruiert wirkt. Dafür laufen die Jungs in ‘To Be Free Again’ und ‘Disappear’ noch einmal zur Höchstform auf.
Bleibt das Resümee: Dass Sie den Weggang von NDV gut weg gesteckt haben, hat die Band ja schon mit “Brief Nocturnes and Dreamless Sleep” bewiesen. Mit “The Oblivion Particle” befinden sich die Bärte nun sozusagen im dritten Frühling. Absolute Empfehlung.
Bewertung 13/15 (KB 11, WE 12, DH 13, JM 11, KR 12, KS 12)
PS: Wie gewohnt, ist das Album in verschiedenen Formaten erhältlich: das Limited Edition Mediabook kommt inklusive Bonustrack, die 2LP+CD im Gatefold-Sleeve und auf 180g Vinyl.
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