Marten Kantus – Requiem

Marten Kantus_Requiem(45:15, CD, Eigenvertrieb, 2015)
Der Berliner Musiker Marten Kantus kann zu Recht als ausgesprochen fleißig und vielseitig angesehen werden, veröffentlicht er doch in schöner Regelmäßigkeit seine in Eigenregie eingespielten Soloalben. Und worauf man sich bei ihm ebenfalls verlassen kann, ist die Eigenart, dass er offensichtlich darauf bedacht ist, dass nicht ein Album klingt wie das andere. Und das gelingt ihm gearde in den letzten Jahren sehr gut, denn auf Alben, die beispielsweise Richtung Mike Oldfield oder Andreas Vollenweider gingen, folgten deutliche Stilwechsel bis hin zu neo-klassischen Ansätzen. Mit dem aktuellen Werk geht er allerdings mehr als nur einen Schritt weiter, dies ist ein besonders krasser Sprung.

Bisher kannte man lediglich Instrumentalalben von ihm, nun hat er seinen langgehegten Wunsch in die Tat umgesetzt, eine Vokalarbeit vorzulegen. So weit, so gut. Es wird wieder eine Vielzahl von Instrumenten in der Besetzungsliste aufgeführt, diesmal Flügel, Geige, Cello, Klarinette, Flöte, Tenorsaxophon, Blockflöte, Harfe, Perkussion, sowie Tenor- und Countertenor-Gesang. Alles von Kantus selbst eingespielt, was man ja so weit von ihm gewohnt ist. Synthesizer gibt es bei ihm sowieso selten zu hören, also vermisst man dies in diesem Fall auch nicht, allerdings fehlen diesmal untypischerweise auch die Gitarren. Der Untertitel des Albums lautet nicht ohne Grund ‘for grand piano, orchestra, and choir‘.

Doch das ist nicht der ungewöhnliche Punkt, sondern dass der Albumtitel hier wörtlich zu nehmen ist, denn es handelt sich um eine “missa pro defunctis“, eine Totenmesse. Kantus wollte sich an ein geistliches Werk herantrauen, was er mit diesem Album auch realisiert hat.

Im beigefügten Infozettel führt er den Hintergrund für die Entstehung dieses Werkes an und spricht von dem desolaten Zustand der heutigen Welt. Den gesättigten westlichen Gesellschaften, den immer ärmer werden Bevölkerungen, religiösem Wahnsinn usw. – angesichts just erfolgter Rückkehr aus einem Kurzurlaub in Tunesien, einen Tag nach dem Anschlag, kann der Rezensent dies bestens nachvollziehen.

Auf den sieben Titeln mit Spielzeiten zwischen drei und zwölf Minuten präsentiert Kantus zusammen mit dem East West Symphonic Orchestra und dem East West Symphonic Choir seine Kompositionen, die mit lateinischen Texten versehen sind. Er verbindet dabei Romantik mit Moderne, Barock und Renaissancemusik, Klavierkonzert mit leichten Jazz-Anleihen, und auch Atonales wird eingebaut. Es blitzen immer wieder mal interessante Momente auf, doch die beschränken sich meist auf die instrumentalen Ausarbeitungen. Derartig raumgreifende Chorgesänge sind für den Rezensenten auf volle Albumlänge eigentlich nur schwer zu konsumieren.

Das ist sehr ungewöhnlicher Stoff, ausgesprochen gewöhnungsbedürftig und entzieht sich eigentlich einer sinnvollen Bewertungsmöglichkeit. Doch davor drücken will man sich ja nun auch nicht.

Respekt auf jeden Fall für einen Künstler, der derart vielfältig unterwegs ist und auch nicht davor zurückschreckt, mal etwas gänzlich Anderes auszuprobieren, bei dem eigentlich klar ist, dass man nicht sonderlich viele Punkte auf der Sympathieskala ernten wird. Wie bei Kantus üblich, gibt es on demand-CDs oder die Möglichkeit eines kostenlosen Downloads.

Man darf gespannt sein, womit er uns auf dem nächsten Album überrascht, ein erneutes Requiem wird es wohl kaum sein. Vielleicht mal ein Synthesizer-bestimmtes Soundtrack-artiges Album?
Bewertung: 8/15 Punkten

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