Das lange Warten hat sich gelohnt
Nach gut 21 Monaten des Wartens war es endlich wieder soweit, unsere vielgeliebten Prog-Dinosaurier kehrten zurück in den charmant-kultigen Salle Le Kursaal in Limbourg. Der 15.07.2015 sollte ein nachhaltiges Erlebnis für die knapp 400 zahlenden Fans werden. Die Autokennzeichen aus Nah und Fern belegten es, Camel ist und bleibt immer noch ein Magnet für Freunde des guten symphonischen Progressive Rock.
So folgte auch eine kleinere Viererdelegation von BetreutesProggen erneut dem Ruf in die belgische Grenzregion unweit von Eupen. Etwas ungeduldig reagierten die zumeist ergrauten Herrschaften im glücklicherweise erneut bestuhlten Festsaal, auf die halbstündige Verspätung. Doch alle Ungeduld war schnell verflogen, als endlich der Veranstalter und Urgestein des Spirit of 66, Francis Geron die Band endlich ankündigte. Was dann passierte war für viele Gänsehaut pur. Mit dem Titel ‘Never Let Go’ begann eine musikalische Zeitreise durch die über 40-jährige Schaffenszeit der Formation.
Mastermind und Gründungsmitglied Andy Latimer verstand es von Beginn an, das begeisterte Publikum in seinen Bann zu ziehen. Er spielte, nein, er zelibrierte sein Gitarrenspiel in gewohnter und unverkennbarer Art und Weise. Auch wenn dieser Auftritt vielleicht nicht ganz so emotional aufgeladen war wie der letzte Auftritt in Limbourg, im Oktober 2013 (einer der ersten nach der Bessserung von Andys schwerer Erkrankung), so spürte man neben der unbestreitbaren Professionalität stets seine tiefe Begeisterung für Musik und Zuneigung zu seinen treuen Fans.
Die immer noch akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen schränkten ihn scheinbar weder hörbar noch sichtbar in seinem Flöten- und Gitarrenspiel ein. Ein Beleg dafür war, dass die Zuhörer sich immer wieder zu spontanen Begeisterungsbekundungen hingerissen fühlten.
Das bedeutete allerdings keineswegs, dass die anderen Bandmitglieder zu reinen Statisten degradiert wurden. Bassist Colin Bass ebenfalls langjähriges Mitglied der Camel-Karavane wusste eher unaufällig, aber mit sehr gut dosiertem Bassspiel und mit feinem Gesang zu gefallen. Ton Scherpenzeel an den Keyboards hatte immer wieder seine größten Momente, wenn er seine Synthesizer erklingen lassen konnte, ansonsten steuerte er ein solides Tastenspiel bei. Jason Hart, der zweite Tastenmann, blieb auf der Bühne zwar eher bescheiden im Hintergrund, dennoch trugen seine Klangteppiche nicht unerheblich zum melodisch-melancholischen Rahmen bei. Ebenfalls in guter Form zeigte sich der Drummer Denis Clement an seinen Schlaginstrumenten. Nicht übertrieben auffällig trug er doch maßgeblich zum Camel-typischen Rhythmus bei.
Der insgesamt hervorragend abgemischte Sound sorgte zusätzlich dafür, dass alle Musiker zu ihrem akustischen Recht kamen, ohne das einmal der Eindruck entstand, bestimmte Instrumente oder Musikpassagen seien zu sehr im Vordergrund. Unterstützt durch eine dezente Bühnenausleuchtung und einer gut ausgewogenen Videoanimation präsentierte sich dieser Abend für Genießer als ein sehr angenehmes musikalisches Gesamtkunstwerk.
Nach knapp zwei Stunden neigte sich auch dieses schöne Event, leider viel zu früh, dem Ende zu. Begleitet von überschwänglichem Beifall gab es dann aber doch noch die obligatorische Zugabe. Mit dem Höhepunkt, wenn man davon überhaupt sprechen darf, dem Longtrack „Lady Fantasy“, mit einer brillanten Gemeinschaftsproduktion aller Bandmitglieder, faszinierendem Spannungsbogen, packender Atmosphäre und signifikantem Gitarrensolo wurden noch einmal alle Sinne gefordert und verwöhnt. Abschließend erinnerte die Band mit dem melancholischen “Long Goodbyes” an die 2015 verstorbenen ehemaligen Camel Mitstreiter Chris Rainbow und Guy LeBlanc.
Auch wenn dieser eher traurige Anlass nicht gerade Freude aufkommen ließ – dieser Abend war kurz gesagt Balsam für die gestresste Seele und wird den meisten Anwesenden wohl noch lange in Erinnerung bleiben.
So bleibt nur noch zu sagen: hoffentlich gibt es ein Wiedersehen an gleicher Stelle. Und natürlich ein herzliches Dankeschön an Francis für seinen unermüdlichen Einsatz, der uns immer wieder solche Konzerte ermöglicht.
Setlist:
Never Let Go
The White Rider
Song Within a Song
Unevensong
Spirit of the Water
Air Born
Lunar Sea
Another Night
Drafted
Ice
Mother Road
Hopeless Anger
Whispers in the Rain
___
Lady Fantasy
Long Goodbyes
Surftipps zu Camel:
Homepage
Facebook
Spotify
last.fm
Konzertbericht März 2014, Köln
Wikipedia
Live-Fotos: Timo Riedel
4 Kommentare
Toller Bericht, welcher mir zeigt dass ich mal besser das 5.Rad am Wagen hätte bilden sollen. Was aber der Überhammer ist, sind die Bilder von Timo! Exellent!
Als einer von den 400 zahlenden Fans spiegelt die Review meinen Gemütszustand zum Konzert 100%ig wieder – die Zeilen haben ebenfalls mein Herz erwärmt. Und die Fotos sind von aller höchster Güte – das bekommen Profis zuweilen nicht so atmosphärisch hin. Besten DANK euch beiden und bitte demnächst mehr davon!
Sehr schöner Bericht, lässt einen beim lesen in die eigenen Erinnerungen eintauchen.
Wie wahr, wie wahr ! Hatte beim Durchlesen fast schon das Gefühl, daß ich wieder beim Konzert sei.
Zwar schon erwähnt, aber nochmal, tolle Bilder !!!!