Köln – Yard Club Köln Homepage – 26. März 2015 – gut 80 Menschen beamen zurück in die Zeit irgendwo zwischen 1969 bis 1972. Allerdings kommen auf diesem “Time Warp” Deep Purple aus Schweden und heißen Siena Root.
Das komplett retrogeschwängerte Hardrock-Konzert wurde schon durch die dänische Vorgruppe The Mind Flowers entsprechend stil- und zeitgerecht eröffnet. Das Kopenhagener Trio präsentierte sich sowohl vom Outfit als auch von der musikalischen Performance an den schwedischen Hauptact angepasst. Auch wenn ihre künstlerische Darbietung noch einiges an Luft nach oben offen ließ, so leiteten sie die Zeitreise im Yard Club zu den psychedelischen Hardrock-Roots der 60er/70er Jahre charmant ein. Allerdings musste der Schreiber feststellen, dass bei diesem Zeitsprung eine wesentliche atmosphärische Komponente fehlte – der süßliche Duft.
Gegen 21 Uhr betraten die Protagonisten der in den späten 90er Jahren in Stockholm gegründeten Band des analogen Old-School-Rock die Bühne. Ursprünglich als Trio um Bassist Sam Riffer und Schlagzeuger Love Forsberg mit starken Blues-Inspirationen gestartet, präsentieren sie sich inzwischen in einer überzeugenden Fünfer-Besetzung. Dazu gehören Lead Sänger Jonas “Joe Nash” Åhlen, Gitarrist Matte Gustavsson und Keyboarder Erik Petersson. Obwohl die drei letztgenannten erst seit 2012 bei Siena Root mitwirken, präsentierte man sich als bestens eingespieltes Quintett mit großer Spielfreude.
Den Aufschlag des Root-Konzerts vollbrachte der Track ‘Between The Lines’, der ebenfalls der Opener des neuen “Pioneers“-Albums ist. Natürlich wird an dem Abend schwerpunktmäßig ihr aktuelles Werk vorgestellt, wobei Siena Root bei ihrem 110-minütigen Auftritt auch einige Perlen aus ihren älteren vier Studio-Veröffentlichungen boten. Da sie auch noch zwei Singles/Maxi-CDs veröffentlicht haben, die man nicht auf den Studioalben findet, gibt es als nächsten Song mit ‘Conveniently Blind’ die letzte Single A-Seite aus 2013. Schnell spürt man, dass Siena Root so gut wie keine Warmlaufphase benötigen, da sie von Anfang an wie geschmiert miteinander musikalisch bei bestem Sound kommunizieren und das Publikum direkt Feuer fängt. Das setzt sich an diesem Abend aus einer erstaunlichen Mischung aus nahezu 50 Prozent bis 30-jährige und die restlichen 50 Prozent mit über 50-jährige zusammen. Und wieso der Frauenanteil gerade bei dem jüngeren Publikumsanteil so hoch war, wird dem Autor wohl immer ein Rätsel bleiben.
Die langmähnigen schwedischen Bartträger wussten in jeglicher Beziehung gerade für einen Purple- oder Heep-Fan der frühen 70er Jahre voll zu Punkten. Die Rhythmusgruppe mit ihren beiden Gründungsmitgliedern sorgte für einen unerbittlichen Groove, wobei die knackigen Töne des Rickenbacker Basses von Sam Riffer wunderbar dezent die Magengrube massierten. Das beeindruckende Timbre von Leadsänger Joe Nash stellte die optimale Klangfärbung für die hardrockigen Kompositionen dar, wobei seine optische Ausstrahlung mich kolossal an Jason Lee alias Jeff Bebe der fiktionalen Band Stillwater aus dem Film Almost Famous erinnerte. Die schönsten und stimmungsvollsten Konzertmomente erzeugten allerdings das ähnlich Lord/Blackmore spielende Pärchen Erik “Errka” Petersson und Matte Gustavsson. Auch wenn Gitarrist Gustavsson mit einem Bottleneck hin und wieder bluesige Saitentöne zum besten gab, so waren doch gerade das rockige Gitarrenspiel in bester Symbiose mit dem Hammond-Orgelspiel von Petersson die emotionalen Höhepunkte des Auftritts. Das sich vorzüglich steigernde Zusammenspiel der beiden Musiker wurde beim Schlusstrack des aktuellen Albums ‘In My Kitchen’ in zu Tränen rührender Perfektion dargeboten. Da konnten auch die Störungen aus dem Lautsprecher der Orgel den erfreuten Überschwang des Publikums nicht mindern.
Zwei Zugaben aus ihrem älteren Repertoire beendeten ein ergreifendes Hardrock-Konzert, das so stilgerecht von den noch aktiven Gründervätern dieses Genres nicht mehr geboten wird. Nach dem Konzert hieß es erst einmal, sich wieder im Jahre 2015 zurechtzufinden. Dies war ein vorzüglicher “Time Warp”!
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Fotos: Wolfram Ehrhardt, außer Pressefreigabe (Siena Root on the bus)
3 Kommentare
Habe das Konzert , welches ich im übrigen mit Wolfram zusammen erlebt habe , ganz genauso wahrgenommen. Kein Wunder eigentlich, da mein All-Time-Fave die Maschine Head von Purple ist.
Was den “Das Herz geht auf Faktor” anbelangt, war dieser noch größer als beim zuvor besuchten Wilson Konzert in Köln.
Das soll schon was heißen !!
Rockige Grüße, Tom
Danke Tom, das mit dem Herzaufgeh-Faktor kommt ja auch im Bericht ganz gut rüber 🙂
Leider lese ich Wolfgangs tollen Bericht erst heute. Habe den Tour-Auftakt in Rostock erleben dürfen (mit dem süßlichen Duft in einer Nische). Seit dem läuft die aktuelle Siena Root Scheibe recht häufig in meinem Player, obwohl ich eigentlich die Vinyl hätte kaufen müssen.