Music Streaming und Downloads – wie verändern sie Geschäftsprozesse und -modelle?
Als interessierter Beobachter der Musikszene und natürlich insbesondere der Prog-Szene auf den bekannten Plattformen und sozialen Medien stolpert man in jüngerer Vergangenheit immer wieder über die Diskussion Pro und Contra Streaming-Dienste wie Spotify etc. oder kostenlose Musik auf Youtube. Gerade erst kürzlich einigte sich die GEMA mit YouTube nach einem jahrelangen Streit über den Tantiemen-Anteil der von der Verwertungsgesellschaft vertretenen Künstler. Insider munkeln, dass man letztlich zähneknirschend einem mehr oder weniger faulen Kompromiss zugestimmt hat.
De facto ist es so, dass es gerade auch im Prog-Bereich immer noch eine Reihe Künstler gibt, die ihren Katalog auf Spotify und Co. nicht anbieten. Andere ziehen ihre Kataloge nach ersten negativen Erfahrungen zurück, und es gibt jene, die nach vorangegangenem Boykott schließlich ihren Katalog frei geben.
Zu diesen Künstlern zählt beispielsweise Steven Wilson. So zollte er im vergangenen Jahr dem verstorbenen Prince auf Tournee mit einer Coverversion Tribut und musste feststellen, dass Prince bei jüngeren Fans kaum bekannt gewesen war. Einen Grund dafür sah Wilson in dessen Boykott von Streaming-Diensten. Letztlich gab diese Erkenntnis für Wilson den Ausschlag, den eigenen Boykott aufzugeben und seinen Katalog auf Spotify freizugeben. Natürlich sehr zur Freunde seiner Fans.
Den umgekehrten Weg geht John Young von der Band Lifesigns. Er kündigte kürzlich an, seine Musik von allem Streaming-Diensten entfernen zu lassen, weil diese Entwicklung seine berufliche Existenz bedrohe. Dass selbst im Mainstream-Bereich mit Spotify und Co. kein Staat zu machen ist, ist kein Geheimnis. Selbst Künstler, die die Hitlisten dominieren, verdienen mit Streaming vergleichsweise wenig. Tantiemen für Radio, TV und Werbung, wo Major-Labels ihre Künstler akribisch platzieren, sind da weitaus einträglicher. Für Major Labels selbst allerdings ist Streaming weitaus einträglicher, da man praktisch ohne weiteren Aufwand den gesamtem Label-Backkatalog vermarkten kann. Das ist in der Summe natürlich ein durchaus erhebliches wirtschaftliches Volumen. Dass beispielsweise das 2006 gegründete Spotify selber heute noch tiefrote Zahlen schreibt, liegt in erster Linie an der Expansionspolitik des Unternehmen. Ein erster Schritt in die entgegengesetzte Richtung ist die Ankündigung, das Gratisangebot in Zukunft deutlich einzuschränken. Grund genug für Betreutes Proggen, diese Thematik einmal unter die Lupe zunehmen.
Was also ändert sich für die Macher der Szene durch diese Entwicklung? Wir wollten es genau wissen und haben in einem unserer beliebten, wenn auch zeitraubenden Rundrufe einfach etliche Muikprofis befragt. Unter anderem A) Thomas Waber (IOM, Superball), B) Dirk Raupach, C) Iris Klabunde und Marco Linke (cmm Rockagentur), D) Hellmut Hattler (u.a. Kraan, Bassball Recordings) E) Kalle Wallner (u.a. RPWL, Gentle Art of Music) und F) John Young. Die folgenden vier Fragen haben wir allen gestellt. Die Antworten findet Ihr darunter. Vielen Dank an alle Teilnehmer!
- Was ändert sich für Dich/Euch durch den Megatrend vom Hardcopy-Medium zum Streaming?
– am grundsätzlichen Geschäftsmodell?
– an den einzelnen Prozessen? - Welche Vorteile bietet diese Entwicklung für Euch, und welche Nachteile?
- Inwieweit kann Streaming – wie oft behauptet – nach Deiner/Eurer Erfahrung auch Platten-/CD-Käufe generieren?
- Wie sieht es speziell bei Prog aus – gibt es da Besonderheiten bei CD/LP vs. Streaming, was Medien, Hör- bzw. Kaufgewohnheiten angeht?
A) Thomas Waber, InsideOutMusic, Superball Music, Label Manager/A&R International
»In ein paar Jahren wird der Markt kippen«
1. Es ändert sich der Ansatz bei der Promotion und dem Marketing. wir fokussieren uns viel deutlicher auf diese Bereiche. An den einzelnen Prozessen ändern sich vor allem die Kontaktpersonen und Medien.
Nachfrage: Wie ist inzwischen das Verhältnis von Absatz und Umsatz zwischen Hardcopy und Streaming bzw. Downloads?
Thomas: Im Prog-Bereich hat sich da noch nicht so viel getan. Ich denke im Schnitt 15 Prozent digital und 85 Prozent physisch. Das liegt aber hauptsächlich am Alter der meisten Prog-Fans. Sobald man ein jüngeres Publikum anspricht, ändern sich diese Zahlen deutlich. In ein paar Jahren wird der Markt aber kippen.
Nachfrage: Welche Plattformen generieren digital gute Umsätze, welche laufen weniger gut?
Thomas: Für Downloads immer noch iTunes. Beim Streaming hat Spotify die Nase weit vorne.
2. Wenn ich ehrlich bin, dann gibt es für uns momentan weder Vor- noch Nachteile. Im Prog-Bereich ist der Markt seit zehn Jahren sehr stabil geblieben.
3. Anders herum wird m.E. ein Schuh daraus: Streaming verhindert keine Verkäufe. Leute, die sich schon auf Streaming spezialisiert haben, kaufen keine CD, nur weil sie das Album nicht finden. Dafür gibt es ja immer noch YouTube. Es bringt Künstlern keine Vorteile, sich von den Streaming-Portalen fernzuhalten.
Nachfrage: Werden neue Hörerschichten erreicht, die früher eher nicht erreichbar waren?
Thomas: Nein. Der Unterschied ist nur, dass früher jüngere Leute auch CDs oder Vinyl gekauft haben. Heute streamen sie nur noch.
Nachfrage: Und umgekehrt, welche Hörerschichten fallen für physische Medien weg? Thomas: Es ist eher eine Generationenfrage – es kann ja keiner wegfallen, der sich vorher auch nicht für ein physisches Produkt interessiert hat. Die Umschichtung findet organisch statt.
4. Im Prog-Bereich ist der physische Anteil im Vergleich zu vielen anderen Genres wie gesagt noch sehr hoch. Die Informationen ziehen sich die Fans jedoch größtenteils aus dem Internet. Print-Magazine verlieren immer mehr ihre Bedeutung. Es ist auch so, dass sich viele ältere Fans noch CDs oder LPs kaufen, die Musik aber bei den Streaming-Diensten anhören.
»Man müsste eine repräsentative Umfrage unter Prog-Hörern machen«
1. Nichts ändert sich für mich. Streaming/Downloads waren noch nie mein Ding. Ich habe das Label Tonzonen Records vor fünf Jahren gegründet, also zu einem Zeitpunkt, wo der Absatz von Vinyl langsam wieder Fahrt aufgenommen hat. Einzig und allein weil ich selber Fan von Vinyl bin und gerne die Musik, die ich bevorzugt höre, herausbringen möchte. Dass Streaming-Dienste sich wie Kuhfladen auf der Wiese ausgebreitet haben, hat dabei keine Rolle gespielt. Auch sind die Kunden von Tonzonen eher im Bereich der High Quality-Vinylsammler zu suchen, als bei den schnelllebigen Streaming-Geistern.
2. Ich sehe das so, dass Tonzonen im Underground verwurzelt ist und unsere Ausrichtung mit Psychedelic, Spacerock, Krautrock auch ziemlich speziell ist. Ich denke nicht unbedingt, dass ich durch den Trend hin bzw. zurück zum Vinyl mehr Absatz erziele. Eher sehe ich schwierige Zeiten für Kleinstlabel. Denn die Major-Firmen sind auf den Zug aufgesprungen und lassen vermehrt Vinyl herstellen. Mehr Produkte drängen auf den Markt und es zeigt sich ebenfalls, dass es eine Vielzahl weiterer DIY-Label gibt. Die Qualität der großen Companies ist häufig von minderer Qualität, diese Erfahrung habe ich durch Gespräche und Kontakte in den letzten Monaten gemacht. Die meisten DIY-Labels achten hingegen akribisch auf hochwertige Veröffentlichungen, doch ist dies dem Endkunden allzu häufig nicht bewusst. Streaming spielt in dieser Szene eine untergeordnete Rolle. Das ist ein Thema der Majors.
3. Bedingt kann Streaming vermutlich den Absatz physischer Produkte generieren: Jemand, der bei einem Streaming-Dienst einen Track besonders toll findet, möchte dann auch die CD oder LP erwerben. Aber ich denke, dass ist eine verschwindend geringe Prozentzahl.
4. Keine Ahnung, das ist rein hypothetisch zu beantworten. Prog-Rock-Hörer sind in meinen Augen eher feingeistig unterwegs und gehören oftmals in die Fraktion der Vinyl-Liebhaber. Man müsste eine repräsentative Umfrage unter Prog-Hörern machen. Wer streamt, wer hört CD bzw. LP? Könnte interessant sein.
C) Iris Klabunde und Marco Linke, cmm – consulting for music and media
»Hat man früher 200 Journalisten mit CDs versorgt, werden heute tausend mit einem Promo-Stream oder Download bedacht«
1. Wir haben das Glück, mit unserer Firma in einer Genre-Nische arbeiten zu können, in der Streaming nur am Rande relevant ist.
Progressive Rock, Classic Rock, Metal, Rock verkauft in erster Linie eben noch CDs und mittlerweile auch wieder gut Vinyl.
Man kann Streaming natürlich nicht aufhalten, wenn das irgendwann zum Hauptmedium wird, wird sich das sicher in Umsätzen bemerkbar machen. Sinkende Umsätze bei Plattenfirmen, würden sicher auch die Investitionen in den Bereichen Promo und Marketing sinken lassen. Am eigentlichen Promotion-Prozess ändert sich eigentlich nichts durch Spotify und Co. Gegebenenfalls wird ein Teil des Budgets für Retail Marketing aus dem physischen Handel zu den digitalen Anbietern verlagert und mehr in Werbung auf sozialen Netzwerken investiert.
2. Für unsere Promo-Arbeit nutzen wir schon lange Download- und Streaming-Plattformen. Hat man früher 200 Journalisten mit CDs versorgt, werden heute tausend mit einem Promo-Stream oder Download bedacht. Das macht die Promotion günstiger, schneller und breiter. Andererseits sinkt aber auch das Wertigkeits-Empfinden seitens der Medien. Dafür greift man dann doch hin und wieder noch zur physischen Bemusterung. Allerdings sind die CD-Kontingente, die von den Labels zur Verfügung gestellt werden, merklich gesunken.
3. Unter eingefleischten Tonträgerkäufern kann die Möglichkeit ein ganzes Album vorab anzuhören schon einen Kaufimpuls auslösen, aber auch das Gegenteil bewirken. Neue Hörerschichten können erreicht werden, es gibt noch Entdeckungsfreudige. Der typische Radiohörer, “Ich höre alles, Radio und so” fällt eventuell als CD-Käufer weg, weil er ja jederzeit die Top-10-Singles streamen kann, die gerade angesagt sind. Allerdings haben solche Leute vor Streaming/MP3/Download etc. wahrscheinlich auch nicht viel Umsatz generiert.
4. Gerade bei Prog sehe ich trotz Streaming, dass das Kaufen von Tonträgern vorrangig bleiben wird. Mag sein, dass ich falsch liege aber ich glaube, dass Prog-Hörer gute Anlagen zu Hause haben und die Musik in perfekter Soundqualität genießen möchten. Das kann eben nur ein vernünftiger Tonträger bieten. Hinzu kommt, dass speziell Bands und Labels dieses Genres oft feine DigiPaks, Special Editions, Hardcover Boxen und Luxus-Ausgaben ihrer Alben veröffentlichen. Da kann eben kein Stream mithalten.
D) Hellmut Hattler (u.a. Kraan, Bassball Recordings)
»Der Haken heißt Verteilungsgerechtigkeit«
1. Man kann ja beobachten, dass alle wichtigen technischen Neuerungen nach einiger Anlaufzeit, erst Auswirkungen aufs Militär, die Wirtschaft und irgendwann auch auf die Kunst haben. Insofern läuft auch diesmal eigentlich alles “normal” ab, was sich aus der Digitalisierung beim Streaming von Musik und im Download-Bereich entwickelt hat. Allerdings haben die daraus resultierenden Geschäftsmodelle gewöhnlich einen schlimmen Haken. Und der heißt, wie meistens im Kapitalismus, Verteilungsgerechtigkeit.
2. Vorteile: der Konsument hat unmittelbar Zugriff auf jedwede Musik, was definitiv einen Zuwachs an Freiheit darstellt. Der Musikproduzent erhofft sich eine potenziell unbegrenzte Zuhörerschaft. Nachteile: Die angekündigte Steigerungsrate bezahlter Downloads und haptischer Tonträger hat sich nicht nur nicht bewahrheitet, sondern das Gegenteil ist eingetreten: Da das Streaming zu absolut unmoralischen Kursen vergütet wird, droht ab jetzt eine echte Verarmung der unabhängigen Künstlerschaft. Ich sehe die mittelfristig anstehenden Auswirkungen als eine echte Gefahr an.
3. Siehe oben – Nachteile.
Nachfrage: Werden neue Hörerschichten erreicht, die früher eher nicht erreichbar waren?
Hellmut: Das ist tatsächlich sehr wahrscheinlich, aber für mich nicht fundiert nachprüfbar.
4. Für Kraan produziere ich im Moment nicht viel (die Band steht ja eher auf der Bühne als im Studio), für Hattler und Siyou’n’Hell komponiere und produziere ich aber regelmäßig neue Alben.
Ich denke, dass die Kraan-Klientel altersbeding noch eher an der Haptik hängt als jüngere Musikkonsumenten, aber generell kann man sagen, dass CD- und LP-Verkäufe am ehesten noch in Konzertstädten stattfinden. Ansonsten geht es mit den Streamings ziemlich raketenartig ab (für die man halt leider so gut wie keine Vergütung erhält) und bezahlte Downloads und der Umsatz haptischer Tonträger wandern sukzessive gen Süden.
E) Kalle Wallner (RPWL, Blind Ego, Gentle Art of Music)
»Solange es Menschen gibt, die bereit sind, Künstler zu unterstützen, wird auch die Musik und ihre Branche einen Weg finden zu überleben«
Kalle schien uns als Prog-Musiker und Betreiber eines Labels, das auch Agentur-Dienstleistungen anbietet, besonders prädestiniert, Licht in unser Fragendunkel zu bringen. Er beließ es nicht bei vier Antworten, sondern revanchierte sich mit einem ganzen Essay zum Thema:
Die Diskussion über Music Streaming vereint verschiedene Ebenen und ist auch eine Frage der Generationen. Durch das bezahlte Streaming bekommt Musik gerade für die jüngere Generation wieder einen gewissen Wert. Jahrelang war ja Musik dadurch definiert, dass man sich diese „umsonst“ besorgen kann – sei es als illegaler Download oder als Kopie von der Festplatte seiner Kumpels. Dieser freie Fall des Wertes scheint also wenigstens etwas gebremst. Zumal auch Portale wie YouTube mittlerweile „geclaimt“ werden, d.h. die Klicks erfasst und in Form von Tantiemen an die Urheber (Autoren) bzw. Lizenzen (Interpreten) weitergegeben werden – zumindest in einigen Ländern. YouTube ist also gewissermaßen die größte Plattenfirma der Welt. Postitiv muss man also anmerken, dass Musik im Allgemeinen nach wie vor einen hohen Stellenwert bei den Menschen hat.
Wenn man sich jedoch den Geldfluss beim Streaming ansieht, muss man hellhörig werden. So wie auch in vielen anderen Branchen, sind nicht mehr die „Hersteller” (also die Künstler) oder die „Verbreiter” (die Plattenfirmen) diejenigen, die das größte Stück am Kuchen bekommen, sondern die „Transporteure”. Letztendlich teilen sich in der Praxis Labels und Künstler Cent-Beträge für das Abrufen ihrer Songs auf den Streaming-Portalen, während sich diese Plattformen wie Spotify, Apple, Deezer, Amazon etc. den Löwenanteil nehmen. Für diese Plattformen sind schlichtweg die Anzahl der Klicks aller Künstler rentabel, der einzelne Künstler spielt da keine Rolle.
Leider geht diese Entwicklung auf Kosten der „Hersteller“, also der Künstler. Das Einkommen aus Music Streaming unterbietet das des bezahlten Downloads nochmals bei weitem. Davon werden sich die meisten Bands niemals finanzieren können. Sprich: Ein Album aufzunehmen wird für Bands selbst in der “Mittelklasse” ein Luxus werden. Übrig bleiben werden finanziell unabhängige Musiker – wahrscheinlich nur noch diejenigen, die Musik als Hobby betreiben können, weil sie ihr Geld in einem anderen Job verdienen.
Dass neue Technik begeistert und in Zeiten von Daten-Flatrates für unterwegs die CD als Datenträger zumindest technisch überholt ist, leuchtet wohl allen ein.
Dennoch hat der Tonträger als Merchandise-Artikel überlebt. Für einen Musikfan ist es immer noch etwas Besonderes, ein “Stück Musik” in den Händen zu halten. Einen Download kann man eben nicht anfassen oder sich nach einem schönen Konzert signieren lassen. Deshalb erlebt Vinyl derzeit eine solche Renaissance: wenn schon ein „unpraktisches Stück“ Musik erwerben, dann darf es ruhig groß und klobig, dafür aber auch hübsch und beeindruckend sein. Quasi die analoge Gegenbewegung zur digitalen Revolution, die viele Menschen mittlerweile eher nervt als positiv stimmt, weil sie vor nichts mehr Halt macht. Analogien zur Buchbranche drängen sich förmlich auf.
Diese Entwicklung ist bei Popmusik schon seit Jahren Alltag. Deshalb werden auch in dieser Branche kaum noch Alben, sondern Singles produziert, die dann möglichst in stylischen Werbespots oder als Background-Sound für angesagte Klamotten-Marken promotet werden. Popmusik verkörpert Zeitgeist, Aktualität, Jugend und natürlich auch den neuesten Stand der Technik. Da hat ein Tonträger keinen Platz mehr, denn Musik kommt aus der Cloud. Die Flatrate zum Music Streaming-Dienst ist dabei im Handyvertrag inklusive. Geld gibt man wenn schon für die Events aus. Allerdings führen dabei viele kleine Clubs eher ein Schattendasein: Sie sind wie ihre Acts schlichtweg zu unspektakulär.
Mittlerweile kommt die Streaming-Entwicklung auch bei Fans von zeitloser Musik an (um Begriffe wie „Prog“, „Classic Rock“ oder „Siebzigerjahre“ zu vermeiden). Von unseren Kindern lernen wir und mittlerweile findet die Streaming-Welle ihren Weg zu unserer „älteren“ Generation. Zu praktisch scheint dieses Möglichkeiten zu sein: Jederzeit und überall kann man hören, wonach einem der Sinn steht. Die Musik-Bibliothek immer am Mann oder an der Frau. Wer sich dagegen etwas Besonderes leisten möchte, kann sich zu Weihnachten noch immer die fünfte aufgelegte Vinyl-Sammelbox seiner Lieblingsband mit dickem Fotoband und digital aufbereitetem Bonusmaterial besorgen – garantiert unveröffentlicht. Auch wenn das Verhältnis noch deutlich zugunsten der physikalischen Tonträgern steht, verschiebt es sich schon seit einiger Zeit zugunsten des Streamings.
Natürlich kann man als Künstler oder Label jederzeit seine Präsenz bei den Streaming-Diensten kündigen. Auf dieses neue Medium zu verzichten, scheint jedoch auch keine ideale Lösung zu sein. Der Vorteile, dass Hörer auf diesen Platformen quasi über die eigene Musik „stolpert“ scheinen zu überwiegen. Zumindest hoffen wir das.
Bei all diesen nicht nur positiven Entwicklungen gibt es jedoch die Hoffnung, dass es Musik, die einen berührt und nicht mehr loslässt, hoffentlich auch weiterhin geben wird. Und solange es Menschen gibt, die bereit sind, Künstler zu unterstützen, wird auch die Musik und ihre Branche einen Weg finden zu überleben. Die nachkommende Generation hat dabei wie jede Generation ihre eigenen Mechanismen.
Nichts bleibt wie es war. Das war zumindest bislang immer so.
F) John Young (Lifesigns, John Young Band)
»I think ‘legal’ streaming was a way that the industry got rid of the pirates by becoming pirates.«
Mit legalem Streaming hat man sicher die Internet-Piraterie in Bezug auf Musik besiegt. Letztlich wurde die Industrie dadurch aber selbst zum “Piraten”. Für mich als Musiker macht das wenig Unterschied. Ich habe grundsätzlich kein Problem mit der Technik, die mit Sicherheit noch besser wird. Derzeit verdient allerdings lediglich die Industrie daran.
Derzeit bringt Streaming für eine Band wie Lifesigns keine positives Effekte. Wenn man sich Lifesigns auf einer Seite anhört, dann wird man auf Genesis aufmerksam gemacht. Hört man Genesis, wäre ein Vorschlag zum Beispiel Yes. Lifesigns wird nicht vorgeschlagen. Die Kennenlernvorschläge tendieren nur in die Richtung etablierter Künstler. Eine Band wie Lifesigns wird nicht davon profitieren. Auch die Präsenz auf You Tube bringt unsere Musik zwar in alle Ecken der Welt, allerdings ohne jede Konsequenz, da wir daran noch wesentlich weniger finanziell teilhaben können.
Ich glaube nicht, dass wir durch die Präsenz im Netz und auf Streaming-Plattformen genug neue Fans gewinnen können, dass es sich den Aufwand, bzw. einkalkulierten Verlust an Verkäufen lohnen würde. Durch den Rückzug erhoffen wir uns, dass sich unsere Verkäufe von Alben und Downloads wieder erholen. Gerade im Prog-Bereich gibt es eine Menge Leute, die Qualität erwarten. Diese Qualität bekommen sie von Vinyl.
Kolumnen-Idee und Einleitung: Dieter Hoffmann