(43:03, CD, Rare Noise, 2015)
Darf’s zur Prog-Tee- bzw. Kaminstunde heute auch ein wenig Jazz sein? Ist möglicherweise sogar DoomJazz gefällig? Da hätten wir nämlich grad etwas für Euch! Dieses schottische Trio mit dem kämpferisch-programmatischen Namen gibt seine Einflüsse wie folgt an: Electric Wizard, Black Sabbath, Sunn0))), Charlie Parker, Orange Goblin, Marshall Allen. Und das lässt sich tatsächlich alles in Spuren auch auf “Awakening Of A Capital” wiederfinden. Diesen Aufnahmen vorhergegangen war die Veröffentlichung der Doppel-EP “The Shape Of DoomJazz To Come / Saxophone Giganticus” im März 2014 auf Rare Noise, gefolgt von einer Europa-Tournee im Sommer und der persönlichen Einladung von Kurator Dr. Bert Noglik, auf dem Jazzfest Berlin zu spielen.
Der Titel des Albums ist laut der hier hilfreich aus der Patsche helfenden Label-Info “eine Hommage an Luigi Russolos bahnbrechende Aufnahme von 1913, “Veglio Di Una Città” (aus “Die Kunst Der Geräusche”).” Stilistisch geht es um nichts weniger als das “musikalische Zusammenführen von Free Jazz und Doom/Sludge Rock” – wenn das mal nicht progressiv ist!
Die Aufnahmen entstanden in Glasgow, wurden vom Gitarrist, Avantgarde- und Artrock-Künstler und Produzent Eraldo Bernocchi (übrigens gemeinsam mit Giacomo Bruzzo auch Gründer von Rare Noise Records) in Italien gemixt und von Mike Fossenkemper in den USA gemastert – wenn das mal nicht international ist!
Mandoomjazz bestehen aus Rebecca Sneddon (Saxofon), Colin Stewart (Bass) und Paul Archibald (Drums). Was sie hervorbringen, nennt ihr Label “eine progressive Allianz mit brötzmannschen Saxofon-Sounds und massiven rhythmischen Verzerrungen, alle in Anlehnung an den 80er Stoner-Doom, Rock-Metal und Drone Noise.” Das erste Stück bezieht sich augenzwinkernd auf just diese progressive Verquickung, denn sein Titel ‘Sun Ra)))’ ist ein Blending aus Sun Ra und Sunn O))). Sind diese zugegeben eine Prüfung darstellenden einleitenden 50 Sekunden überstanden, können FreeJazz gegenüber eher vorsichtig eingestellte Proggies wieder aufatmen, von nun an geht’s wieder bergauf! Denn gegen das, was Frau Sneddon im Aufmacher tonal und interpretatorisch aus ihrer Kanne herausholt, sind die gepeinigten Stimmen auf Ummagumma lahme Kaffeekränzchenmucke…
Beim sanften, von Stewarts leicht angezerrten Basslinien dominierten ‘The Stars Unseen’ erholt man sich schnell wieder und kann die rhythmischen Steigerungen von ‘The Land Of Heat And Greed’ würdigen. Die Wucht von Doom Metal vermittelt am ehesten ‘Poking The Bear’, während ‘The Pillars Of Dragon’ eine Mischung aus Soft Machine und nur schwer erträglichen, wohl durch Plektrum-Rutschen auf den E-Bass-Saiten hervorgebrachten Säge-Geräuschen darstellt.
Stück Nr. 6, der persönliche Favorit des diensthabenden Betreuers, ist eine Verbeugung vor bzw. Vertonung von H.P. Lovecrafts Kurzgeschichte “Die Musik des Erich Zann” und deren “faszinierenden, fremdartigen Harmonien”, hier über einen sich unheilvoll aufbauenden Bolero-Groove gelegt.
Insgesamt hängt bei diesem Werk vieles besonders stark von den eigenen Hörgewohnheiten ab: Diese Musik taugt dazu, einen menschengefüllten Raum in Sekundenschnelle komplett zu leeren. Sie kann aber unter dem Kopfhörer auch ein Flugticket zu einzigartigen Reisen bereitstellen… Beim Rezensenten bleibt eigentlich am Ende nur ein Wunsch offen – ein Jam von Mandoomjazz mit Ulver…
Bewertung: 12/15 Punkten
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